Mittwoch, 9. März 2011

78) Landwirtschaft in Mühlhausen

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".. Die hiesige Gegend ist eine der bequemsten zum Ackerbau ..." schrieb Christian Gottlieb Altenburg bereits 1824 ...
.. und so war dann auch die Landwirtschaft von Anfang an "... im hiesigen Gebiete das Hauptgeschäft .." der mühlhäuser Bürger ... und Smiley meint, daß dieser Wirtschaftszweig deshalb auch eine gesonderte Betrachtung erfordert ..

Ackerbau und Viehzucht war schon im frühen Mittelalter die Grundlage für die Entwicklung der Wirtschaft.
Gepflügt wurde damals noch mit dem Holzpflug. Die eiserne Hacke, der Spaten, die Sichel und die Harke, waren die wichtigsten Geräte.
Durch die Klöster kam dann auch der Obst-, Gemüse- und Weinanbau in unsere Gegend.


Die feudale Grundherrschaft löste im königlichen Reichsgutbezirk die germanische gemeinsame Nutzung von Wald und Flur ab.

Die vom König eingesetzten Ministerialen - in der Chronik als
".. die edlen Geschlechter .." bezeichnet - hatten sich aus einfachen Lehnsträgern zum erblichen Adel entwickelt, der über seine Untertanen frei verfügte.
So gehörten dann später auch die Geschlechter und Patrizier in Mühlhausen zu den größten Grundbesitzern.
Im mühlhäuser Reichsrechtsbuch (um 1220) gab es konkrete Festlegungen zum Flurgericht des Heimbürgen, das unter der St.Kilianslinde stattfand. Und auch für Felddiebstahl gab es hier mehrere Paragraphen.

Feldarbeit war überwiegend Handarbeit. Neben Roggen und Weizen, Gerste und Hafer, wurde auch Flachs (Lein) und Gemüse angebaut.
Geerntet wurde damals noch mit der Sichel .., die Sense kam erst später auf.
Die Flachsverarbeitung war neben der Schafzucht die Grundlage für die spätere Entwicklung des Textilgewerbes. Das "Flachswasser" erinnert heute noch an den früher wichtigen Flachsanbau.
Die "Waidstraße" weist ebenfalls auf eine weitere Pflanze hin, die für die mühlhäuser Wirtschaft wichtig war. Der Färbewaid war lange Zeit das wichtigste Färbemiitel der Färber und die "Waidjunker" kamen zu erheblichem Wohlstand.


Durch die Klöster war der Weinanbau in das mühlhäuser Gebiet gekommen. Noch heute gibt es mehrere Anhöhen rings um die Stadt, die den Namen "Weinberg" tragen .. und die "Weinbergstraße" erinnert ebenfalls an diese Zeiten .. die allerdings nach dem Dreißigjährigen Krieg zu ende gingen.
Auch der Hopfenanbau, die Grundlage für das gute mühlhäuser Bier, ging später wieder ein.
In den Kriegsjahren blieben die Feldervor der Stadt oft unbebaut, denn die Bürger trauten sich wegen der marodierenden Truppen oft nicht vor die Stadtmauer.


In der Jakobistraße steht ein restauriertes Ackerbürgerhaus, das mit seiner großen Torfahrt noch die frühere Bestimmung erkennen läßt.
Zahlreiche Ackerbürger in der Stadt hatten auf dem Hof hinter dem Hauptgebäude noch Stallungen und Vorratsräume.
Das Gesinde - Knechte und Mägde - gehörte meißt mit zum Haushalt und "wohnte" auch mit im Haus.
Oft waren es aber auch reine "Familienbetriebe" die von den Großeltern bis zu den Enkeln die Feldarbeit und die spätere Verarbeitung (dreschen, spinnen usw.) selbst ausführten.

Das Nutzvieh (meißt Rinder und Schafe) wurde vom Hirten auf die Weide vor der Stadt geführt. In den Vorstädten gab es mehrere Schäfereien, wo die Schafe zentral untergebracht waren. Aber auch hier kam die Herde noch vor Toresschluss, der zum Sonnenuntergang erfolgte, von der Weide in die Ställe zurück.
Vom Mundartdichter Georg Wolff stammen die folgenden Zeilen:


".. Dr Härte gab sich alle Möiwe ..
Wann d´s morgens ha sin Liedchen blus ..
Un treb de Schwiene, Ringer, Koibe ..
Vergniegt zum Arbschenture nus .."




Zu den meißten Bürgerhäusern gehörten noch der Schweinekoben und der Stall für das Federvieh, denn die eigene Wurst und die eigenen frischen Eier gehörten zum guten Haushalt dazu ... und oft stand auch noch eine Kuh im Stall, die für frische Milch und Butter sorgte.
So hatte auch das Haus in der Herrenstraße, das im 17. Jahrhundert erneuert wurde, immer noch den typischen Charakter des Ackerbürgerhauses.




Ludwig Richter hatte das Leben im Anfang des 19. Jahrhunderts. wo noch der beschauliche Biedermeierstil vorherrschte, in seinen Bildern anschaulich geschildert.
So wie hier wird mancher Bürger sein Stück Land vor der Stadt bestellt haben .. und die treusorgende Gattin brachte ihm mit den Kindern ..die Vesper aufs Feld.
Übrigens waren früher die Vorstädte meißt nuran den Zugangsstraßen bebaut und ansonsten befanden sich hier Äcker und Gärten. Die "Kräuterstraße" weist heute noch auf die Gärten des ehemaligen Kräuterviertels hin.

Im Herbst traf sich dann die Familie mit den Bekannten auf dem Hof ... Auf der Tenne wurde gedroschen ..

... und bald kam der Winter .. und da konnte man froh sein, wenn es eine gute Ernte gegeben hatte ..

Aber immer wieder gab es Mißernten, so daß die wenigen Vorräte - wenn überhaupt vorhanden - schnell aufgebraucht waren ... und immer wieder berichtete deshalb die Chronil von Hungersnöten, wo ".. die Leute wie die Fliegen auf der Straße starben und herumlagen .."




Im 18. Jahrhundert waren dann auch bei uns die ersten Kartoffeln angebaut worden ..

Das Vieh kam jetzt oft nicht mehr auf die Weide, denn durch den Anbau von Futterklee und Futterrüben nahm die Stallhaltung zu.

Der Winter war aber auch die Zeit, wo die Landarbeit weitgehend ruhte .. und wo man sich der Verarbeitung der Produkte widmete. Besonders die Spinnabende waren beliebte Treffpinkte.


Jetzt war auch die Zeit der Schlachtefeste gekommen. Viele Einwohner hielten sich ein oder zwei "Schwienchen" im Schweinekoben auf dem Hofe.

Geschlachtet wurde auf dem Hof .. Der Hausschlachter war oft ein Handwerker, der sich nebenbei noch ein paar Würschte verdienen wollte.

Zum Schlachtefest kam meißt die ganze Verwandschaft, denn es gab nicht nur gutes Essen, sondern auch meißt etwas gutes zu trinken.

Und die Nachbarschaft bekam, wenn sie mit ihren Abfällen zum Schweinefutter beigetragen hatte, neben der guten Fleischbrühe, noch ein Stück Wellfleisch und ein paarSchlenkerwürschtchen ..

Vor der Stadt lagen die verschiedenen Meiergüter, die oft aus den früheren Feudalhöfen der Ministerialen entstanden waren.., wie das Gut Weidensee, das Gut Sambach (im Bild) und der frühere Ordenshof Pfafferode.

Diese Güter wurden dann meißt von der Stadt verpachtet .. oder wie bei Weidensee, Schröterode und Popperode von begüterten Bürgern gekauft.



Auf den Gütern wurde dann Ende des 19. Jahrhunderts oft auch "moderne " Technik eigeführt. So der Dampfpflug und die Dreschmaschine, die von einer Dampflokomobile angetrieben wurde.
Aber auch hier herrschte die Handarbeit noch vor und in der Erntezeit wurden oft Tagelöhner für geringen Lohn eingestellt.


Das Gut Pfafferode (im Bild) war 1599 vom Deutschen Ritterorden abgekauft worden und gehörte zu den "Domänen" der Stadt, die von der Zinsmeisterei verwaltet und verpachtet wirden.
1910 kam es als "Provinzialgut Pfafferode" zur neuen Landesheilanstalt, die hier errichtet wurde.




Auf den Gütern und auch bei den größeren Bauern wurde jetzt immer mehr die neue Technik eingesetzt.

Jetzt zog der Traktor der Pflug oder die Sä- und Drillmaschine.

Geerntet wurde jetzt mit dem Mähbinder oder dem Kartoffelroder.
Im 2.Weltkrieg waren dann oft Kriegsgefangene und "Fremdarbeiter" bei der Feldarbeit eingesetzt, denn die deutsche Frau mußte in der Rüstung arbeiten, damit der deutsche Mann an der Front genügend Waffen hatte.



Oft war aber auch noch das Pferde- oder Ochsengespann auf den Feldern vor der Stadt zu sehen.
Von den 56 Landwirten, die im mühlhäuser Adreßbuch von 1943 verzeichnet wurden, war der größte Teil in den Vorstädten bzw. am Stadtrand ansässig.
In der Innenstadt erinnerten nur noch einige Ackerbürgerhäuser mit ihren großen Toren daran, daß viele Bürger - oft neben ihrem Handwerk oder Gewerbe - Ackerbau und Viehzucht betrieben hatten.


Noch aber gab es vor der Stadt, wie hier an der Ammerschen Landstraße, zahlreiche Felder, wo vorrangig Getreide, Kartoffeln und Gemüse angebaut wurde.

Kartoffeln, Obst und Gemüse wurde auch in den Siedlungen am Stadtrand, wie der Sachsensiedlung, Schmudesiedlung und Weinbergsiedlung, angebaut und auch in der Stadt selbst war der Garten hinter dem Haus ein wichtiger Bestandteil der Selbstversorgung.


Nach 1945 war mancher froh, wenn er ein Stück Acker pachten und bestellen konnte.
Hier war dann wieder die ganze Familie bei der Ernte eingespannt.

In der Stadt selbst wurde jedes Stückchen Gartenland intensiev bebaut. Für die Karnickel, die in vielen Haushalten gehalten wurden, konnte man ja das Futter an den Wegrändern suchen.

Besonders in den Stadtrandsiedlungen gehörte aber auch das Schaf und das Schwein mit dazu.




Mit der Bodenreform, die 1946 in der SBZ durchgesetzt wurde, erhielten auch in Mühlhausen Umsiedler, Landarbeiter und Kleinbauern Land übertragen, das den Großgrundbesitzern abgenommen worden war.

In Pfafferode entstand an der "Bauernfreiheit" eine kleine Neubauernsiedlung.

Oft war aber noch die alte Technik im Einsatz und erst nach und nach trat mit den MTS (Maschinen-Traktoren-Stationen) eine Verbesserung der Technisierung ein.

Nachdem bereits 1953 mehrere LPG´s im Landkreis entstanden, wurde 1954 die LPG Typ III "Aktivist" im ehemaligen Gut Popperode gegründet.
Die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft über nahm später auch das Gut Weidensee, wo eine große Schweinemastanlage errichtet wurde.
In den sechzigerJahren wurde allerdings das ehemalige Gut Popperode stillgelegt und abgerissen, da es das Trinkwassereinzugsgebiet an der Popperöder Wuelle beeinträchtigte.
Die Entwicklung der LPG´s schritt immer mehr voran. 1958 gehörten im Kreis = 1.512 Personen einer LPG an... und 1961 waren es bereits 7.703 Personen in 91 Produktionsgenossenschaften.

1961 gab es im Kreis 499Traktoren, davon noch der größte Teil (331) in den MTS. Später hatten die LPG´s dann einen eigenen großen Maschinenpark.




1949 war in Sambach das erste volkseigene Gut (VEG Sambach) geschaffen worden. Zusammen mit dem Gut Pfafferode entwickelte sich das VEG weiter und "produzierte" 1975 über 20.000 Schweine, wobei in den ersten Jahren oft mit "sowjetischen Neuerermethoden", wie "Offenstall" und "Schweinepilzen" experimentiert wurde.




1958 war die Gärtnerische Produktionsgenossenschaft (GPG) "Edelweiß" mit 8 ehemaligen Gärtnereien gegründet worden.
1974 mit weiteren GPG´s zur GPG "Thomas Müntzer" vereinigt, hatte der Betrieb nicht nur an derAmmerschen Landstraße große Gewächshausanlagen, sondern auch im ganzen Kreisgebiet riesige Obstplantagen.


Mit der ehemaligen Landwirtschaft der kleinen Ackerbürgerstadt war es endgültig vorbei.
Auf den Feldern der LPG´s und der VEB fuhren moderne Mähdrescher und in den Obstplantagen rings um die Stadt wurde auch moderne Technik eingesetzt.
Einzelbauern gab es längst nicht mehr und die Gärten der Kleingärtneranlagen dienten immer mehr der Erholung.



Mit der Wende und der Einheit wurde natürlich wieder alles anders. VEB und VEG verschwanden völlig und wurden nach und nach privat betrieben und aus den LPG´s wurden jetzt oft Agrargenossenschaften.
1995 wurde die TUPAG Holding AG - eine thüringer Unternehmensgruppe für Produktion und Handel von Agrar- und Gebrauchsgütern - gegründet, die jetzt große Teile der Felder und Plantagen rings um die Stadt bebaute. Auch die Gut Sambach-GmbH, der Reiterhof Pfafferode und die Putenaufzucht in Schröterode sind noch vorhanden, aber ansonsten ist von der einst blühenden Landwirtschaft rings um die Stadt nicht viel zu berichten.

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